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4 Wochen Pakistan: Ein Gespräch über die schönen und herausfordernden Seiten der CSR-Arbeit

Erfolgreich Wirtschaften und dabei fair und nachhaltig gegenüber Mensch und Umwelt agieren – das fasziniert Nadine Reifenrath an ihrer Arbeit in der Corporate Social Responsibility (CSR) bei KiK. Die Länderverantwortliche hat kurz vor dem weltweiten Corona-Shutdown insgesamt vier Wochen lang Pakistan besucht und kann so aus erster Hand von den aufregenden, den schönen und den herausfordernden Seiten ihrer Arbeit berichten.

Mit 25 Jahren Länderverantwortliche für vier Staaten – Pakistan, Indien, Sri Lanka und die Türkei – das wird man nicht zufällig. Schon während ihres BWL-Studiums in Münster entdeckt Nadine den Bereich CSR für sich: „In den entsprechenden Kursen an der Uni habe ich immer mehr das Verlangen nach bewussterem und fairen Handeln und Leben entwickelt“. Deswegen arbeitet sie auch schon während des Studiums als Werkstudentin in der CSR-Abteilung von KiK und schließt ihr Studium mit einer Arbeit über die Konsequenzen eines Lieferkettengesetzes ab – ein brandaktuelles Thema. Seit Juli 2019 ist sie fest bei KiK an Bord.

Als Länderverantwortliche ist Nadine so nah wie wenige andere an den Geschehnissen in den Zulieferländern dran. Und so konnte sie im Januar und Februar 2020 erstmals direkt vor Ort auf direkte Tuchfühlung mit den Fabriken, Agenturen, politischen Institutionen und ArbeiterInnen gehen. Im Rahmen der „Pakistan Building Safety Initiative“, einem eigenen Projekt von KiK, bei dem die Erfahrungen des erfolgreichen Bangladesh Accord auf Pakistan übertragen werden, verbrachte sie vier Wochen in dem Land. Was genau auf so einer Reise ihre Aufgaben sind und wie sie Land und Leute erlebt hat erzählt sie uns hier im Interview.

Was kann man sich unter einer Länderverantwortung vorstellen? Warum braucht KiK überhaupt so eine Stelle?

KiK arbeitet in vielen Ländern der Welt, darunter in Südostasien, mit Zulieferern für die Waren zusammen, die unsere Kunden in Europa kaufen. Als Länderverantwortliche im CSR-Bereich ist es meine Aufgabe zu überprüfen und zu gewährleisten, dass jeder dieser Zulieferer die Anforderungen aus unserem Code of Conduct erfüllt. Möchte also unser Einkauf einen neuen Lieferanten einlisten, checke ich die Einhaltung der Anforderungen mithilfe einer gründlichen Dokumentenprüfung. Dabei bleibt es aber natürlich nicht – die Zulieferer werden vor Ort von einem unabhängigen Audit-Institut besucht und auf Herz und Nieren überprüft. Die Ergebnisse gehen an mich und ich verordne im Zweifel Korrekturmaßnahmen.

Solche Audits geschehen nicht nur bei der Einlistung, sondern regelmäßig im Rahmen von jährlichen Sozialaudits oder speziell in Pakistan bei den Building Safety Assessments. Mit der Hilfe unserer Partneragenturen vor Ort erstelle und koordiniere ich Korrekturmaßnahmenpläne, die nach Audits als Fahrplan zur Mängelbeseitigung dienen. Auch die Überprüfung der Einhaltung dieses Fahrplans gehört zu meinen täglichen Aufgaben.

Bei all diesen Tätigkeiten ist das oberste Ziel die Einhaltung unseres Code of Conducts, also der Menschenrechte, von Mindeststandards bei Arbeits- und Sozialrechten sowie ein hoher Standard bei der Gebäudesicherheit und der Gesundheit der ArbeiterInnen.

Und wie läuft so eine Reise ab?

Dieses Jahr war ich zum ersten Mal bei so einer Reise dabei; zwei Wochen im Januar in Karatschi und zwei Wochen im Februar in Karatschi, Lahore und der Hauptstadt Islamabad. Der große Fokus lag auf dem Thema Gebäudesicherheit, dafür haben wir täglich 2-3 Fabriken besichtigt – aufregend und anstrengend zugleich! Daneben ist es wichtig, unsere Kontakte zu den ansässigen Agenturen und Audit-Instituten zu pflegen. Und die Politik darf natürlich auch nicht fehlen: Während unserer ersten Reise haben wir das deutsche Generalkonsulat in Karatschi besucht, auf unserer zweiten Reise dann sogar den deutschen Botschafter in Pakistan, ziemlich spannend! Mit dem Botschafter Bernhard Schlageck sprachen wir vor allem über die Konsequenzen aus dem Fabrikunglück Ali Enterprises und unsere Gebäudesicherheitsinitiative, die ja eine direkte Antwort auf den Unfall war. Er lobte unser Engagement und bat uns, die Initiative breit in der Community zu kommunizieren.

2-3 Fabriken am Tag sind ziemlich viel, was kontrolliert ihr da genau?

Der Ablauf ist immer ziemlich ähnlich. Zusammen mit unseren Agenturen vor Ort, quasi die vertrauensvollen Vermittler zwischen dem Lieferanten und uns, planen wir die Besuche im Vorfeld. Meistens besuchen wir Fabriken in einem bestimmten Gebiet, sodass das so effektiv wie möglich abläuft. Der Besuch startet immer mit einem Eröffnungs-Meeting in den administrativen Räumlichkeiten; dabei wird vor allem die wirtschaftliche Lage, das vergangene Jahr und der Fortschritt bei der Mängelbeseitigung diskutiert. Danach folgt die eigentliche Betriebsbesichtigung. Wir starten im Normalfall so weit oben wie möglich, am besten auf dem Dach, und arbeiten uns dann von Stockwerk über Stockwerk nach unten. Bestimmte neuralgische Punkte wie das Hydrantensystem, die Rauchmelder und Ein- und Ausgänge werden grundsätzlich überprüft, dazu kommen individuelle Checklisten, bei denen wir natürlich immer die letzten Audits im Hinterkopf haben.

Nach der Besichtigung, die ca. 2-3 Stunden läuft, geben wir Feedback zu den bereits abgestellten Mängeln und besprechen das weitere Vorgehen bei noch bestehenden Problemen. In den meisten Fällen haben die Zulieferer nach so einem Besuch ein paar „Hausaufgaben“ zu erledigen.

Zum Abschluss nochmal eine persönliche Frage: Der Bereich CSR wird in der Textilbranche oft kritisch beäugt. Was sagst du den Kritikern, vor allem nach deinen Erfahrungen in Pakistan?

Ich denke schon, dass die grundlegende Verantwortung für ArbeitnehmerInnenrechte, den Gesundheitsschutz und die Einhaltung der Menschenrechte bei den jeweiligen Regierungen der Zulieferländer liegen. Aber es ist die Aufgabe von uns, den Textilunternehmen, Verantwortung für jeden Teil unserer Lieferketten zu übernehmen

Dabei spielen CSR-Maßnahmen wie unsere eine essenzielle Rolle. Nehmen wir unsere Building Safety Initiative in Pakistan, da bewegen wir wirklich etwas. Gebäudesicherheit ist die absolute Grundlage für den Arbeitsschutz der TextilarbeiterInnen – das ist etwas ganz konkret physisch Überprüfbares! Wenn ich in eine Fabrik mit ein paar Problemstellen gehe und diese Fabrik nimmt anschließend Geld in die Hand , um moderne Feuerschutztüren und neue Hydrantensysteme zu installieren, dann ist das sichtbarer Fortschritt. Jede CSR-Maßnahme, jedes persönliche Gespräch, trägt auf beiden Seiten zur Sensibilisierung für und zum Verständnis von menschenwürdigen und umweltbewussten Arbeitsbedingungen bei.